Interview Frau F. / Mutter von N.

«Ich hatte das Gefühl, ich schiebe mein Kind ab.»
«Mit Hilfe kann man das Beste für sein Kind erreichen.»

Mit Schulproblemen ging alles los. Dann begann N Cannabis zu konsumieren, sich mit den falschen Leuten abzugeben. Und irgendwann, viel schneller als Frau F es realisiert hatte, lief die Situation völlig aus dem Ruder. N war so ausgebrannt, dass nur ein vorübergehender Psychiatrieaufenthalt die Lage noch auffangen konnte. Schliesslich sorgte die Schule 2019 für Ns Unterbringung im Bellevue – ein Schock für Mutter und Tochter. Aber einer mit heilsamer Wirkung, wie Frau F im Interview erläutert.

Schulprobleme als Grund für eine Heimplatzierung? Das klingt überraschend. War das wirklich der Hauptfaktor für Ns Unterbringung in der Jugendstätte?
Schulprobleme waren zu Beginn jedenfalls die von aussen sichtbare Knacknuss, mit der alles losging. Es waren viele Einzelteile, die zusammenkamen, wenn man so will. N begann auch, Cannabis zu konsumieren, mit Leuten Zeit zu verbringen, die ihr nicht guttaten. Nach einer Weile war sie so fertig, dass Schule keine Rolle mehr spielte und man meinte, eine Zeit in der Psychiatrie würde helfen. Da war sie dann vier Monate. Im Anschluss folgten noch drei Wochen Schule. Und dann ging plötzlich überhaupt nichts mehr. Irgendwie war dieser Übertritt von Psychiatrie zurück zur Schule in meinen Augen auch nur mangelhaft durch die Fachleute begleitet.

Wie ging es Ihnen in dieser Zeit?
Ich habe mich komplett hilflos gefühlt. Ich habe mir für mein Kind doch nur Struktur gewünscht. Ich wollte auch diese «falschen» Leute von ihr weghaben. Meine Angst, dass sie da immer tiefer in etwas Schlimmes reinrutscht und anfängt, auch härtere Drogen zu nehmen, war riesengross. Aber je mehr ich auf sie eingeredet habe, desto mehr hat sie das als Druck wahrgenommen. Dadurch ist regelrecht eine «Feindschaft» zwischen uns entstanden. Das war für mich ganz schrecklich, weil wir eigentlich ein sehr gutes Verhältnis haben.

Wie kam dann die Unterbringung im Bellevue zustande?
Nach dem Psychiatrieaufenthalt sollte N regelmässig zu einer Therapeutin. Das hat sich als schwierig gestaltet. Und zur Schule ist sie auch nicht mehr gegangen, bis die Schulleitung das irgendwann gemerkt hat und sagte: Letzte Chance. Aber N hat das nicht ernst genommen. So kam es, dass die mittlerweile informierte KESB eine Beiständin einsetzte und den Platzierungsprozess einläutete. Am 5. Juni 2019 kam es schliesslich zu Ns Eintritt ins Bellevue.

War das für Sie eine Erleichterung?
In erster Linie war ich verzweifelt. Ich wollte N doch bei mir haben und nicht in einem «Heim». Mir war aber auch klar, dass es so nicht weitergehen konnte. In dieser Zeit war unser Leben im Ausnahmezustand, dieses Gefühl der Hilflosigkeit kannte ich sonst nicht. Die Aussicht, dass nun im Bellevue alles getan würde, um N zu unterstützen, wieder auf einen guten Weg zu kommen, war für mich wie ein Rettungsanker. Trotzdem fiel der Entscheid extrem schwer. Ich hatte das Gefühl, ich schiebe sie ab.

Wie war dann Ihr Gefühl, nachdem Sie das Bellevue und seine Mitarbeitenden kennengelernt haben?
Das war eine sehr gute Erfahrung. Schon der erste Kontakt war super. Wir wurden so herzlich empfangen! Die Atmosphäre war angenehm und schon im ersten Gespräch hat man mir versichert, dass mein Kind in guten Händen ist und man mit mir als Mutter zusammenarbeiten will. Zudem fand ich auch die Zimmer für die Jugendlichen schön. Jede hat ihren eigenen Raum. Alles ist sauber und grosszügig vom Platz her. Das fand ich gut.

Ihre Tochter war rund zwei Jahre Bewohnerin der Jugendstätte. Hat sich in dieser Zeit etwas an Ihrem ersten Eindruck geändert?
Überhaupt nicht. Es war die ganze Zeit über ein guter und wertschätzender Austausch zwischen den Sozialpädagoginnen, der Heimleitung und mir. Auch bei solchen Sachen wie etwa der Organisation des Ferienprogramms hat man gemerkt, dass sich die Leute vom Bellevue um die Jugendlichen bemühen. Da haben sie wirklich ein spannendes und schönes Programm auf die Beine gestellt.

Wie bewerten Sie heute Ihre Entscheidung, Ihr Kind im Bellevue unterzubringen?
Rückblickend bin ich glücklich, den Schritt gemacht zu haben. Man denkt immer, irgendwann wird das im CV der Tochter stehen… aber das Bellevue hat damit einen guten Umgang und die Jugendlichen können vollwertige Schulabschlüsse machen.
Auch der klar umgrenzte, geschützte Rahmen mit klaren Weisungen durch die Sozialpädagoginnen haben N sehr geholfen. Ich rate allen Eltern, in so einer Situation diese Hilfe für sich zu holen. Alleine ist man so machtlos. Aber mit Hilfe kann man das Beste für sein Kind erreichen.