Interview Jugendliche S.

«Auf eigenen Beinen stehen, aber mit Unterstützung im Rücken.»

«Bei mir zuhause war die Situation nicht mehr auszuhalten.» Deswegen, so erzählt S. weiter, sei es eine echte Erleichterung gewesen, nach einer Reihe anderer Stationen schliesslich in der Aussenwohngruppe der Jugendstätte Bellevue zu landen. Wie sie ihre Zeit dort sonst noch erlebt hat, berichtet sie im Gespräch.

S., was war der Grund, dass du eine gewisse Zeit deines Lebens in der Aussenwohngruppe der Jugendstätte Bellevue verbracht hast?
Die Umstände bei mir zuhause waren einfach übel. Meine Eltern haben Suchtverhalten und der Partner meiner Mutter ist auch nicht mein leiblicher Vater. Ausserdem gab es immer öfter schwierige Situationen zwischen den beiden. Irgendwann funktionierte gar nichts mehr.

Was ist dann passiert?
Ich war erst an verschiedenen Orten. Zwischendrin wieder daheim, dann auch mal bei meinem damaligen Freund. Aber das war alles keine Lösung. Irgendwie kam dann das Bellevue ins Spiel. Sozusagen als «sicherer Hafen». Dort bin ich auch direkt in der Aussenwohngruppe, also einer WG, gelandet.

Erzähle doch mal ein bisschen: Wie lief dieser Umzug ab und wie kann man sich diese WG überhaupt vorstellen?
Als erstes habe ich H., die Sozialpädagogin der Aussenwohngruppe, getroffen. Sie hat mich übrigens dann auch die gesamte Zeit über begleitet und unterstützt. Wir haben geredet und sie hat mir die Regeln erklärt, damit ich mir das alles vorstellen kann. Ausserdem hat sie mir die Wohnung gezeigt. In meinem Fall war das eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit Gemeinschaftsraum, Esszimmer, Küche, Bad, Balkon und zwei Mitbewohnerinnen. Ich hab’ ein möbliertes Zimmer bekommen und durfte das dann einrichten, wie ich will.

Wie hast du dich gefühlt, nachdem klar war, dass du ab sofort dort wohnen wirst?
Für mich war es eine Erleichterung, dahin zu kommen. Ich wusste zwar, dass ich Einsatz zeigen muss, damit es gut läuft in der WG. Dass ich beispielsweise mal putzen muss und auch mit meinen Mitbewohnerinnen auskommen muss. Aber ich hab’ vom ersten Moment an gemerkt, dass ich da auf eigenen Beinen stehen kann und trotzdem immer Unterstützung im Rücken habe, wenn ich sie brauche.

Wie sah denn in deinem Fall diese Unterstützung aus?
Ich war 16, als ich in die Aussenwohngruppe des Bellevues kam. Ich hatte grade meine Lehrstelle klar gemacht und bin von der Aussenwohngruppe des Bellevues aus normal zum Schaffen gegangen. H., die Sozialpädagogin, ist für mich zu den Elterngesprächen gegangen, hatte Kontakt zum Lehrmeister und solche Sachen. Ausserdem hat sie in regelmässigen Bezugspersonengesprächen mit mir geschaut, was gerade wichtige Themen und Ziele sind und wie man die in den Griff kriegen kann. Und vom Bellevue war auch immer jemand per Haustelefon erreichbar, den man bei Bedarf um Rat fragen konnte.

Welche Dinge fandst du nicht so gut?
Manchen Mädchen hat man, soweit ich das beurteilen kann, schon arg viel durchgehen lassen. Da fände ich es besser, man würde noch mehr auf die jeweilige Situation und den Menschen schauen… und vielleicht auch mal strenger sein.

Und was hat dir besonders gut gefallen?
Echt gut war, dass man auch sagen konnte, wenn man mal einen schlechten Tag hat, ohne dass einem das krumm genommen wurde. Und mega schön war: Auch wenn die betreuende Sozialpädagogin ‘nen heftigen Konflikt mit einer von den anderen Mitbewohnerinnen hat, schwemmt das nicht zu einem selber rüber. Man wird so weit informiert, dass man die Situation einschätzen kann, aber ist nicht selbst betroffen.

Deine Zeit in der Aussenwohngruppe der Jugendstätte Bellevue ist aber nun vorbei. Mit welchem Gedanken lässt du diesen speziellen Lebensabschnitt hinter dir?
Am Anfang war ich im Bellevue schon überfordert… aber irgendwann hat sich alles gut eingespielt. Man muss offen sein und den Betreuern etwas entgegenkommen, dann kriegt man total viel zurück. Das habe ich auch gemerkt, als mein Austritt von hier konkret wurde. Da bin ich super unterstützt worden, damit alles läuft und ich keine Angst vorm Ungewissen haben muss. Ich habe hier viel Schutz und Verlässlichkeit erlebt. Und ich finde, ich bin hier echt gereift. Für mich war das Bellevue ein guter Weg zu lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.