Interview Jugendliche D.

«Wenn du was erreichen willst, musst du offen sein.»

D. litt unter Depressionen und hatte schon zwei Klinik-Aufenthalte hinter sich. Doch es wurde einfach nicht besser. Schliesslich kam die Klinik mit dem Vorschlag, man solle es mit der Jugendstätte Bellevue versuchen. Damals war D. 16 Jahre alt. Mittlerweile ist sie über 20, lebt schon lange wieder zu Hause und sagt: «Die Zeit im Bellevue war hart. Aber ich habe dort viel gelernt und es hat mich stark gemacht».

D. bitte schildere doch einmal, warum du vor einigen Jahren in die Jugendstätte Bellevue gekommen bist.
Ich hatte Depressionen. Es kam der Moment, da es so schlimm war, dass ich in eine Aargauer Klinik eingewiesen wurde und dort für neun Monate bleiben musste… aber es lief nicht wirklich gut. Ich wollte den Aufenthalt abbrechen und die Suche nach einer Alternative ging los. So kam das Bellevue ins Spiel.

Wie hast du dich gefühlt, als klar war, dass es für dich in die Jugendstätte Bellevue gehen würde?
Ich dachte nur: «Oh Gott, ein Mädcheninternat! Da gibt es so viel Stress! Da will ich nicht hin!»

Aber du bist trotzdem gegangen…
Na ja. Ich hatte da nicht viel mitzureden. Es gab vorher zwar einen Besuch, wo ich alles anschauen konnte, aber da war ich überhaupt nicht begeistert von dem, was ich gesehen habe. Als ich danach meinte, ich wolle da nicht hin, habe ich erfahren, dass alles schon abgemacht war. Die Klinik, in der ich bis dahin war, hatte das entschieden. Da ging es mir erst mal total schlecht.

Was ist weiter passiert, nachdem du in die Jugendstätte Bellevue eingezogen bist?
Relativ bald nach meinem Eintritt kam es zu einem Zwischenfall, und ich kam wieder in die Klinik. Zunächst dachte ich: Lieber Klinik, als Bellevue…. Aber irgendwann wurde mir klar, dass es so auch nicht geht. Jedenfalls hat es wirklich eine ganze Zeit gedauert, bis ich mich eingelebt habe.

Warum ist dir das so schwer gefallen?
Am Anfang hatte ich nicht das Gefühl, dass sie im Bellevue auf mich zukommen. Sondern ich hatte eher das Gefühl, dass sie mir immer Vorwürfe machen, dass ich so ja nie durchs Leben komme.

Was meinst du damit?
Ich bin halt nicht in die Tagesstruktur und hab so ziemlich alles verweigert. Und ich habe Sachen kaputt gemacht und mich auch selbst verletzt…

Und dann?
Ich kann gar nicht genau sagen, wann die Dinge langsam in eine positive Richtung gingen. Aber irgendwann hatte ich doch den Eindruck, dass man mehr auf mich und meine Ziele eingeht.

Magst du davon erzählen?
Ich wollte im Bekleidungsbereich arbeiten. Da haben sie dann im Bellevue extra in der Nähwerkstatt ein Programm für mich eingerichtet, damit ich mich auf dieses Ziel zu bewegen kann. Ausserdem habe ich gemerkt, dass eigentlich niemand an mir rummeckert, solange ich nichts zerstöre oder mir Verletzungen zufüge…

Wie ging es weiter?
Ich habe im Bellevue meinen Schulabschluss gemacht. Nachdem ich 2015 dann dort weg bin, bin ich wieder nach Hause gezogen und habe eine Lehre als Bekleidungsgestalterin gemacht. Mittlerweile habe ich diese abgeschlossen und bin auf Jobsuche.

Seit deinem Austritt aus der Jugendstätte Bellevue sind nun schon einige Jahre vergangen. Wie beurteilst du rückblickend die Zeit dort?
Ich muss schon zugeben, dass es bei mir ein arges Auf und Ab war. Es war einfach eine schwierige Phase. Aber ich habe für mich persönlich viel gelernt. Ich habe durch die ganze Situation dort viele Facetten von mir kennengelernt und auch gelernt, damit umzugehen. Zum Beispiel musste ich mich mit den anderen Mädels dort, die aller selber grosse Probleme haben, arrangieren und auch lernen, wie ich mit meiner Depression leben kann. Da haben die Sozialpädagogen geholfen. Mit Gesprächen und mit Zeit.

Was würdest du einem Mädchen, das in die Jugendstätte Bellevue kommt, als Tipp auf den Weg geben?
Rede! Wenn du was erreichen willst, musst du offen sein. Wer sich verschliesst, kann sein Ziel nicht erreichen. Man sollte die Zeit hier nutzen. Vor allem, wenn man so schnell wie möglich raus will, sollte man nicht allen nur Knüppel zwischen die Beine werfen. Trotzdem kann rebellieren auch mal gut sein. Da lernt man sich intensiv kennen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich würde mir nicht wünschen, nochmal in so eine Situation zu kommen. Aber die Zeit im Bellevue hat mich stärker gemacht und mir beigebracht, mich selbst aus einem Loch zu ziehen.